02.02.2021

Der Corona-Shutdown bringt mehr Zeit zu Hause in mein Leben. Und so fasste ich den Entschluss, nach etwa 10 Jahren Amp-Schrauber-Abstinenz mein nächstes schon länger geplantes Projekt in Angriff zu nehmen. Das Ganze hat eine längere Geschichte:
Vor schon 25 Jahren besaß ich einen Fender Pro Junior, so als Übungsamp für zu Hause oder mal im Übungsraum. Schon damals hat man erkannt, dass dieser Amp wirklich gut klingt. Einen „Fender-Sound“ hat er allerdings nicht, das Teil geht sehr früh in die Verzerrung. Und durch die Röhrenbestückung kling das dann eher „very britisch“.
Nach einigen Jahren habe ich den Amp verkauft, ich habe damals angefangen, selber Verstärker zu bauen und der Fender war einfach „über“.
Vor etwa 2 Jahren hatte ich das Glück, aus dem Nachlass eines lieben Musikerkollegen einen Pro Junior erwerben zu können. Es ist ein Modell aus der frühen USA-Produktion und mit schwarzem Tolex anstatt Tweed bezogen.
Gerade bei Aufnahmen beweist der Amp sein durchdachtes Design. Natürlich haben dies schon viele erkannt und sich Gedanken um Optimierungen dieses kleinen Biestes gemacht. Auch Fender hat beim Design und der industriellen Umsetzung Optimierungen vorgenommen, aber leider nur in der Gewinnkalkulation:
Die Schaltung ist komplett auf zwei Platinen aufgebaut, billigste Potis (nicht einmal mit dem Chassis verschraubt) und die Eingangsbuchse sind direkt auf die Platine gelötet. Und wie erwartet, zeigt auch mein Pro Junior genau hier seine Schwächen, das Volumenpoti ist defekt. Die Röhrensockel aus Kunststoff sind ebenfalls auf eine Platine gelötet und dann mit Flachbandkabel mit der Hauptplatine verbunden.
Spätestens jetzt bekommt ein jeder, der sich einmal mit dem Aufbau traditioneller Röhrentechnik beschäftigt hat, wirklich schlechte Laune. Die Erfahrung zeigt, dass eine einfache Reparatur kaum lohnenswert ist, weil der Amp schlicht zu viele Schwachstellen hat, um auf Dauer zuverlässig zu laufen.

Nun aber die positiven Seiten:

Der Amp klingt wirklich gut und könnte noch viel besser klingen! Das Gehäuse hat eine super kompakte Größe und ist solide gebaut. Die Trafos sind brauchbar. Das Chassis besteht aus solidem verzinktem Stahlblech und ist gut verarbeitet.
Nach diesen Überlegungen, einem Schuss Sentimentalität und etwas Drang nach Selbstbehauptung bekommt der Amp also sein zweites Leben geschenkt!

Der Plan:

Ich werde den Pro Junior komplett neu aufbauen. Der alte Pro Junior liefert sein Combogehäuse, Stahlblechchassis, Netztrafo, Ausgangsübertrager, Netzschalter, Netzkabel und Lautsprecherkabel. Der Rest wird durch Neuteile ersetzt.
Eine ganz entscheidende Hilfe liefert mir Doug Hoffman aus North Carolina. Er stellt passgenaue Turretboards für Amp-Umbauten her, auch für den Pro Junior. Das Turretboard wurde in der letzten Woche geliefert, es besteht aus einer 3mm Epoxiplatte und den in einwandfreier Qualität fertig montierten Turrets. Angesichts des enormen Zeitaufwandes, ein Turretboard selbst zu designen und zu fertigen, ist der Kaufpreis für ein Hoffman-Board sensationell günstig. Ein Hoch auf Doug Hoffman! Auch liefert er alle notwendigen Dokumentationen mit, so wird der Neuaufbau erheblich vereinfacht. (Nach über zehn Amps, die ich komplett selbst konstruierte, kann ich den eingesparten Zeitaufwand gut einschätzen.)

Es geht los:

Punkt 1: Die Materialliste durchforsten und genauer spezifizieren. Im Laufe der Zeit habe ich meine Vorstellungen entwickelt, welche Teile ich an den verschiedenen Positionen eines Röhrenverstärkers verbaue, fragt gerne nach!
Punkt 2: Die bearbeitete Materialliste mit den Lagerbeständen im Keller vergleichen und die nicht vorhandenen Teile bestellen. (bei Banzai, Berlin) Erfreulich: Die Kosten ohne Lautsprecher belaufen sich auf rund 100 Euronen, das ist völlig ok.
Punkt 3: Ich demontiere die Elektronik bis auf den Netztrafo, den Netzschalter und das Netzkabel vollständig. Hier muss man gut aufpassen und die verschiedenen Trafoanschlüsse (Exporttrafo) richtig verbinden, bzw. wegisolieren. Ich mache das immer sofort, das erspart mir spätere Grübeleien.
Nun geht es an die Bearbeitung des Blechchassis. Und da fangen die Probleme an: Mein Kegelbohrer ist reichlich stumpf. Also schnell bei Werkzeug - Willers hier in Oldenburg angerufen und eine Bestellung aufgegeben. Am nächsten Tag konnte ich die Sachen dann am Verkauftresen auf dem Parkplatz abholen, genial!
Das größere Problem bereiten die Löcher für die Röhrensockel, sie sind zu groß, weil die alten Sockel ja auf die Platine gelötet waren. Die Halter der Keramiksockel lassen sich zwar anschrauben, aber die Sockel fallen dann einfach aus dem Halter ins Chassis. Zum Glück habe noch ganz viele Halter liegen, so kann ich innerhalb des Chassis je einen Halter verkehrt herum gegenmontieren, so passt es genau. Dank einer kleinen Rundfeile waren die Aussparungen für die Schrauben schnell gefeilt.
Die Löcher für die Potis musste ich vergrößern, dort, wo früher die Lautsprecherbuchse war, habe ich das Loch auch aufgebohrt für den Sicherungshalter. Der war ursprünglich auf der Platine, also im Ernstfall unerreichbar. Daneben habe ich ein neues Loch für die Lautsprecherbuchse gesetzt. Die kann man bedenkenlos übernehmen, weil sie original von Switchcraft kommt. Das Turretboard habe ich angepasst und die Haltelöcher gebohrt. Feierabend bis die restlichen Teile geliefert werden!

12. / 13. 02.2021:

Ich bin einen schönen Schritt weiter gekommen. Alle Blecharbeiten sind erledigt und die Röhrensockel sind montiert. Alle Verkabelungen auf dem Turretboard sind fertig und auch die Abstandshalter sind montiert. Die 230V - Primärverkabelung ist fertig und getestet.
Ich habe mich entschieden, die billige Status-Led durch die klassische Fender - Lampe zu ersetzten. Mit einer 150mA Lampe ist es mir zu hell, ein 22R-Vorwiderstand ist nett und auch der Strom ist ein wenig geringer.
Für die Kabel des Ausgangsübertragers gibt es neue Blechdurchführungen aus Gummi, die sind deutlich niedriger und so lassen sich die Kabel geschmeidiger verlegen.
Auf den Fotos zu erkennen ist meine Massebusschiene aus 1,5mm Silberdraht, sie ist mit Nylonschrauben, also isoliert, befestigt und bildet den Massepunkt zum Chassis. Der Schutzleiter ist auf der anderen Seite des Chassis in der originalen Position angebracht. Mit Ausnahme des Lautsprecherausganges, der mit seiner Buchse auf Masse gelegt ist, laufen alle Massen an dieser Busschiene zusammen. Ich habe mir dieses System vor etwa 10 Jahren überlegt, seitdem gibt es keinerlei Brummprobleme. Diese einfache Maßnahme ist tatsächlich ein riesiges improvement!
Alles ist montiert und fertig zur Verkabelung. Ich freue mich, wenn ich wieder Zeit habe und weiter basteln kann.


21.02.2021

In kleinen Schritten geht das Projekt Pro Junior weiter. Leider warte ich immer noch auf eine Nachlieferung, ausgerechnet das Kabelmaterial für die Anodenverdrahtung. Weil bei diesem Projekt im Bereich der Röhrensockel recht wenig Platz ist, muss ich bei der Verkabelung der Röhren in einer bestimmten Weise vorgehen, ausgerechnet Pin 1 müsste ich zu erst verlöten, bekanntermaßen ein Anodenanschluss.
Und so stand Anderes an:
Ich habe die drei abgeschirmten Gitterzuleitungen angefertigt, die Fotos zeigen hier mein Vorgehen. Ich benutze hierfür Klotz Unbalanced Patchcable, diese abgeschirmte Leitung hat eine gute Qualität, ist nicht so teuer, leicht zu verarbeiten, schön flexibel und der Kabeldurchmesser ist noch annehmbar.
Natürlich ist die Abschirmung nur einseitig auf Masse gelegt, alles ist schick mit Schrumpfschlauch versehen. Für V1a und V1b habe ich die Gitterwiderstände in die Leitungen eingelötet, so werden sie direkt an die Gitterpins der Röhrensockel gelötet, so wie es optimal ist. Der 10k-Widerstand am Eingang ist ein 1% Metallfilmwiderstand, 0,6 W. Ich bevorzuge an dieser Stelle Metallfilm (anstatt Kohle-Press), weil sie weniger rauschen. Der 100R Widerstand am 2. Triodensystem ist dann ein Kohle-Press-Widerstand.
Die Eingangsbuchse trägt jetzt den 1M-Widerstand für den Eingang, die Verdrahtung für den Schaltkontakt habe ich gleich mit dem Anschlussdraht des Widerstandes erledigt, eine elegante Lösung. Weiter gehts mit der Potielektronik, das sind die Kabelverbindungen und die beiden Kondensatoren für die Klangregelung.
Die Masseleitungen vom Turretboard zum Massebus habe ich danach gelötet.
Am Ende der Bastelstunde habe ich den Brückengleichrichter, den ersten Siebelko und den dazu parallelen 470K - 3W Widerstand auf das Turretboard gelötet. Dieser Widerstand hat übrigens den netten Nebeneffekt, dass sich nach dem Abschalten des Verstärkers die Siebelkos langsam über diesen Widerstand entladen, ein kleiner Sicherheitsaspekt. Ach ja, die beiden Symmetrierwiderstände für die Röhrenheizung habe ich auch schon angelötet.
Eigentlich bin schon ganz schön weit gekommen, es fehlen noch die Kabel zu den Röhren und die meisten Bauelemente auf dem Turretboard. Dass sollte in etwa drei Stunden erledigt sein. So long.


05.03.2021

Endlich ist das Hochspannungskabel da! Es kann weiter gehen. Ich habe zwar reichlich gutes Kabel im Keller liegen, PVC, viele Farben und alle relevanten Querschnitte fürs Ampbuilding. Für dieses Projekt will ich aber zum großen Teil stoffummanteltes Kabel benutzen. Für die Kathoden und Gitter reicht stoffummanteltes AWG 22, für die Anoden habe ich zur Sicherheit AWG 20 mit innerer PVC-Isolierung gewählt. Leider ist dieses Kabel deutlich dicker und nur mit dem Messer abzuisolieren, das kostet Zeit. Der Riesenvorteil des reinen stoffummantelten Kabels ist die einfache Verarbeitung: Einfach die Isolierung zurückschieben, verzinnen, fertig!
Für die Heizung habe ich normales 0,5mm2 PVC-Kabel benutzt, natürlich verzinnte, hochwertige Litze.
Also ran an die Verkabelung der Röhrensockel mit den Turretboard. Grundsätzlich baue ich die Röhrenheizung zum Schluss „fliegend“ über die Röhrensockel, als Spirale gewickelt, auf. Das bietet die bestmögliche Minimierung von Brummeinstreuungen im Signalweg. (Ich habe auch schon Gleichstromheizungen in Gitarrenverstärkern gebaut, aber die Erfahrung zeigt, dass man mit einer guten Symmetrierung und guter Kabelführung der Heizung sowie einem guten Masseführungskonzept auch mit einer Wechselstromheizung brummfreie Verstärker bauen kann.) Die Fotos zeigen, dass es bei diesem Projekt besonders bei der Eingangsröhre recht beengt zugeht. Hier musste ich schon genau überlegen, wie ich vorgehe. Also habe ich entgegen meiner gewöhnlichen Bauweise die Heizung an Pin 9 verlötet und mich dann weiter nach oben durchgearbeitet. Zum Schluss dann Pinn 4-5 = Heizung. Der Pro Junior hat den klassischen „Long Tail Phase Inverter“, das ist die zweite Röhre. Hier wird es etwas einfacher, weil man ein Kabel weniger braucht (gemeinsame Kathode), jedoch hat man das Gefrickel mit den doppelten Heizungskabeln. Noch einfacher geht das Verlöten der Endstufensockel, lediglich die Drähte des Gitterwiderstandes wollen sorgfältig gebogen werden. Zum Schluss habe ich die Heizung vollständig verdrahtet und das Kabel fürs NFB verlegt und verlötet. Damit ist der kleine Pro Junior fertig verkabelt! Der Rest, also der Einbau der Widerstände und Kondensatoren, wird vergleichsweise einfach. Ich freue mich schon, denn nach der nächsten Bastelstunde sollte der Kleine wieder tönen! Noch ein Wort zum Thema Werkzeug: Wie immer gilt: Wer billig kauft, kauft doppelt! Gute Werkzeuge erleichtern die Arbeit enorm. Gerade bei Röhrenverstärkern mit lebensgefährlichen Spannungen muss einwandfrei gearbeitet werden. Das geht nur mit gutem Werkzeug!
Das für mich Schöne bei Röhrenamps ist die solide und große Bauweise. Der beste Lötkolben ist dabei der gute alte Wella WTCP50, eine Lötstation mit 50 Watt Leistung und einem magnetischen Thermostaten, der über die Lötspitzen erfolgt (Magnastat). In 95% aller Fälle arbeite ich mit der Lötspitze „Meißel 2 mm, Nr. 7“. Dazu gibt es nur zu sagen: Das Teil funktioniert seit über 20 Jahren völlig störungsfrei. Dank hoher Leistung und Thermostat hat man immer einwandfreie Lötstellen.
Von größter Wichtigkeit ist eine gute Abisolierzange, ein guter Seitenschneider, ein guter Vorschneider und eine gute Entlötpumpe.
Meine sonstigen Werkzeuge zur reinen Lötarbeit seht ihr auf den Bildern. In der braunen Flasche ist mein selbst angesetztes Lötwasser: Kolophonium und Isopropylalkohol. Das brauche ich vor allem für die Verarbeitung von NOS-Teilen.
Fragt gerne mal nach und berichtet von euren Erfahrungen!
Bis zum nächsten Mal, dann sollte der Pro Junior fertig sein!
So long.
Matthias






 




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